450. Geburtstag Luther

Dem 450. Geburtstag Luthers war von der Kirche zunächst wenig Bedeutung zugemessen worden. Erst ein Vorstoß der Deutschen Christen (DC) setzte das Jubiläum auf die kirchliche Agenda.

Plakette LutherIm November 1933 feierte das evangelische Deutschland den 450. Geburtstag von Martin Luther. In weiten Teilen des Reiches gelang es ein letztes Mal, die Zusammengehörigkeit von Kirche, Staat und NSDAP öffentlich zu inszenieren, dennoch scheiterte die große Idee, den 10. November zu einem grandiosen protestantischen Nationalfeiertag zu machen. Die Lutherdeutungen und die dahinterstehenden Vorstellungen vom Wesen und von der Aufgabe der Kirche im NS-Staat waren zu unterschiedlich, als dass Martin Luther ihr »geistiger Schirmherr« werden konnte. Das erhoffte Signal eines evangelischen Aufbruchs und der Geschlossenheit ging vom Luthergeburtstag nicht aus. Für die Evangelische Kirche markierte der Deutsche Luthertag 1933 vielmehr einen Wendepunkt. Die organisatorische Einheit der Glaubensbewegung Deutsche Christen zerbrach, und mit voller Wucht setzten nun jene innerkirchlichen Auseinandersetzungen ein, die unter den Begriff des Kirchenkampfes gefasst werden.

Die zentrale Feier fand in Anwesenheit des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847–1934), zugleich einer der Schirmherren des Lutherjubiläums, im Berliner Dom statt. Auf der anschließenden deutschchristlichen Massenkundgebung im benachbarten Lustgarten sprach der Pfarrer Joachim Hossenfelder (1899–1976), Parteimitglied seit 1929 und seit 1933 Bischof von Brandenburg, Mitglied der Reichskirchenregierung und DC-Reichsleiter:
„Wir wollen das Erbe der deutschen Reformation, das unverfälschte Evangelium treu bewahren, um unserer Väter willen, um der Toten des Weltkrieges willen und der braunen Armee, um der Volksgenossen willen, die in Deutschland unter der Führung Adolf Hitlers das große Volk der Einigung geschaffen haben.“

Obwohl der Deutsche Luthertag 1933 flächendeckend gefeiert wurde, erfüllten sich die kirchlichen Hoffnungen nicht, die nationale Euphorie des Jahres 1933 in einen ‚volksmissionarischen‘ Aufbruch transformieren zu können, die protestantische Vormachtstellung zurückzugewinnen und sie erneut als Leitkultur zu etablieren. Mit ihm scheiterte auch die Idee der Reichskirche mit Martin Luther als deren ‚geistiger‘ Schirmherr.
Zwei Varianten der Vorstellung vom deutschen Nationalhelden Luther konkurrierten: ein radikalisiertes deutschchristliches Bild vom germanischen Heros Luther bei den Deutschen Christen und ein eher traditionell nationalprotestantisches Bild vom echtdeutschen Theologen Luther bei der Bekennenden Kirche.