Martin Luther

Luther 1892 04 klMartin Luther wurde am 10. November 1483 als Sohn von Hans und Margarete Luder in Eisleben geboren. Als zweites von neun Kindern eines Mineneigners und Ratsherrn wuchs er in bescheidenem Wohlstand auf. Zwischen 1501 und 1505 absolvierte er in Erfurt an einer der wichtigsten mitteldeutschen Universitäten die akademische Grundausbildung und schloss das Studium mit „Magister Artium“ ab. Dem Wunsch des Vaters entsprechend nahm er das Jurastudium auf, das allerdings schon sehr bald durch ein Blitzereignis beendet wurde und Luthers Leben verändern sollte.
Auf dem Rückweg vom Besuch bei den Eltern geriet der junge Student am 2. Juli 1505 bei Stotternheim nahe Erfurt in ein Gewitter. In Todesangst gelobte er, Mönch zu werden. Nur zwei Wochen später trat er dem Orden der Augustiner-Eremiten in Erfurt bei. Als Bruder Martin führte er ein strenges Mönchsleben. Er wurde 1507 zum Priester geweiht und begann schließlich das Theologiestudium aufzunehmen. Seinen Doktortitel erwarb er 1512 in Wittenberg, wo er bis zu seinem Tod als Theologieprofessor wirkte.

95 Thesen wider den Missbrauch des Ablasses
Seit 1515 vertrieb der Dominikanermönch Johannes Tetzel im Auftrag des Kardinals Albrecht von Brandenburg den sogenannten Petersablass. Mit den Einnahmen sollte die Fertigstellung des Petersdomes in Rom finanziert werden. Als Seelsorger sowie akademischer Lehrer fühlte sich Luther zum Handeln verpflichtet und begann bereits früh, die Predigten und Geschäftspraktiken Tetzels zu kritisieren. Am 31. Oktober 1517 veröffentlichte er seine berühmten 95 Thesen wider den Missbrauch des Ablasses. Der Tag symbolisiert bis heute den Beginn der Reformation. Die ursprünglich für eine akademische Auseinandersetzung verfassten Artikel verbreiteten sich durch den Buchdruck wie ein Lauffeuer in ganz Deutschland.
Im Juni 1518 leitete die römisch-katholische Kirche gegen Martin Luther eine Voruntersuchung ein – Vorwurf: Ketzerei. Während er in Augsburg durch den päpstlichen Gesandten Kardinal Cajetan verhört wurde, weigerte sich Luther erstmals seine Schriften zu widerrufen. Bereits wenige Monate später zweifelte er bei einer Disputation an der Leipziger Universität öffentlich die Unfehlbarkeit des Papstes und der Konzile an. Seine Schriften, die sich rasch verbreiteten und womit er zahlreiche neue Anhänger gewann, zogen am 15. Juni 1520 die päpstliche Bannandrohungsbulle nach sich.
Unter dem Jubel seiner Wittenberger Freunde verbrannte Martin Luther die Bulle öffentlichkeitswirksam. Daraufhin wurde er am 3. Januar 1521 exkommuniziert. Nachdem er im selben Jahr auf dem Wormser Reichstag auch dem deutschen Kaiser Karl V. den Widerruf seiner Schriften verweigerte, verhängte man die Reichsacht über Luther und seine Anhänger (Wormser Edikt).

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Auf der Wartburg
Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, der um das Leben Luthers fürchtete, ließ ihn zu seiner Sicherheit auf die Wartburg bei Eisenach entführen, wo Luther sich zehn Monate unter dem Namen „Junker Jörg“ versteckt hielt. Während dieser Zeit übertrug er das Neue Testament ins Deutsche. Diese Bibelübersetzung Luthers wurde zur Grundlage für die neuhochdeutsche Schriftsprache. Schon im März 1522 kehrte Luther nach Wittenberg zurück, um mit einer mehrtägigen Predigtreihe (Invokavitpredigten) die Unruhen und den Bildersturm in der Stadt zu beenden.
Am 13. Juni 1525 heiratete Martin Luther die ehemalige Nonne Katharina von Bora. Mit den sechs eigenen Kindern, Verwandten, Angestellten und Studenten lebte das Ehepaar im ehemaligen Schwarzen Kloster in Wittenberg.

bibel1 01 klBibelübersetzung als Hauptwerk
Seine letzte Reise führte Martin Luther 1546 zurück in seine Geburtsstadt, um Erbstreitigkeiten der Mansfelder Grafen zu beenden. Am 18. Februar starb der Reformator in Eisleben und wurde drei Tage später in der Wittenberger Schlosskirche beigesetzt.
Neben den Reformen im Kirchen-, Schul- und Sozialwesen gilt die Bibelübersetzung als Hauptwerk des deutschen Reformators. Die 1534 in Wittenberg gedruckte Gesamtdeutsche Bibel beeinflusste die Entwicklung der deutschen Sprache wie kein anderes Buch und diente als Anlass für die Übersetzung der Bibel in viele andere europäische Sprachen.

Blick in die Luther Bibel des Stadtmuseum Brandenburg



Brief von Martin Luther an Hironymus Scultetus

Luther, Martin - An Hieronymus Scultetus, Bischof zu Brandenburg. 1518
Aus dem Lateinischen. Wahrscheinlich am 13. Februar 1518

Lieber Herr Bischof! Als jüngst in unserer Gegend neue und unerhörte Lehren vom päpstlichen Ablaß laut wurden und viele Gelehrte und Laien allenthalben in Verwunderung und Aufregung gerieten, da wurde ich von vielen, Bekannten und Unbekannten, schriftlich und mündlich befragt, was ich von diesen überraschenden, um nicht zu sagen ungebührlichen Äußerungen hielte. Eine Weile suchte ich auszuweichen, bis es zu heftigen Aussprachen kam, bei denen sogar das Ansehen des Heiligen Vaters Gefahr zu laufen drohte.
Was konnte ich tun? Etwas Bindendes zu äußern, lag außer meiner Gewalt, und ich empfand Scheu, den Ablaßhändlern entgegenzutreten, denen ich von Herzen wünschen mußte, daß ihre Predigt jedermann als lautere Wahrheit erscheinen möchte. Doch die andern erwiesen deren Lehre so beharrlich mit den klarsten Gründen als falsch und hohl, daß sie mich, das ist ungelogen, endlich völlig einschlossen und festlegten.
Um also beiden Teilen zu genügen, hielt ich es für den besten Ausweg, keinem zuzustimmen und keinem zu widersprechen, sondern über einen so wichtigen Gegenstand zu disputieren, bis die heilige Kirche festsetze, was zu glauben wäre. So ließ ich denn meine Thesen ausgehen, lud jedermann öffentlich zur Disputation ein und richtete dem Herkommen gemäß an alle Gelehrten die besondere Bitte, wenigstens brieflich ihre Ansicht kundzutun. Denn es schien mir, als ob weder die Bibel und die Kirchenlehrer, noch auch die Kanones selbst bis auf einzelne Verfasser, die sich dazu ohne Schriftbeleg äußerten, und bis auf ein paar Scholastiker, die gleichfalls ohne Beweis die gleiche Meinung verfochten, gegen meine Sätze sprächen.
Mir wenigstens erscheint es so unbegreiflich wie nur etwas, daß in der Kirche Dinge gepredigt und gelehrt werden sollen, die nur geeignet sind, sie ihren Feinden zu Hohn und Spott preiszugeben. Das muß aber geschehen, wenn sie über etwas Beschwerde führen, ohne daß wir Rechenschaft davon geben können.
Des weiteren gilt bei den Scholastikern und Kanonikern der Satz, daß kein Glaube beim Ablaß notwendig sei. Doch das ist weiter nichts als ihre ganz persönliche Ansicht; und das Sprichwort sagt: „Turpe est juristam loqui sine textu.“1) Aber noch viel schändlicher ists, wenn Theologen „ohne Text reden.“ Die Scholastiker haben zwar Beweise aus Aristoteles, den sie immer und ewig heranziehen, nicht aber Beweise in unserm Sinne, keine aus der Schrift, keine aus den kirchlichen Kanones, und keine aus den Kirchenvätern.
Obwohl daher über diese Fragen die Ungewißheit so groß und ihre Bejahung unter Umständen so gefährlich war, erschien es mir doch als meine Aufgabe und meine Pflicht, sie zur Disputation zu stellen. Hatte doch von den scholastischen Disputationen noch niemand selbst die heiligsten und ehrwürdigsten Glaubenssätze auszuschließen gedacht, an denen jahrhundertelang kein Christ Zweifel erhoben hat.
Wie tief verworfen muß Gottesfurcht und Gottesdienst von Menschen sein, die keine Disputation über die Macht von Kirche und Papst dulden und die in diesen Fragen bloß stumme Treue und Dankbarkeit gelten lassen wollen! Schon das Stammeln des Kindes findet hier Ausdrücke der Entrüstung. Warum hüllen sie sich nicht in dankbares Schweigen und warum stellen sie nicht ihre albernen Disputationen ein, wenn es sich um Macht und Weisheit und Güte dessen handelt, der der Kirche erst jene ihre Macht verliehen hat? Nichts ist so verborgen in Gottes höchster Majestät und heiligster Menschlichkeit, das sie nicht mit ihren läppischen Tändeleien besudelt haben. Kein Herz kann man finden, aus dem sie nicht durch ihr ewiges Possenspiel mit Gott Liebe und Ehrfurcht getilgt haben. Doch davon ein andermal.
So forderte ich denn alle zu diesem Kampf heraus, doch niemand erschien. Dann bemerkte ich, daß meine Sätze in weitere Kreise drangen, als ich gewollt hatte, und allenthalben nicht als Thesen, sondern als Glaubenslehren aufgenommen wurden. So wurde ich denn gegen meine Erwartung und meinen Wunsch genötigt, mit meiner kindischen Unerfahrenheit an die Öffentlichkeit zu treten. Ich mußte den Thesen Erklärungen und Auslegungen folgen lassen; denn ich wollte lieber in die Schande der Unwissenheit fallen, als Menschen irre geleitet haben, die leicht alles für bare Münze nehmen. Einiges ist mir noch zweifelhaft, vieles weiß ich nicht, etliches leugne ich jetzt; aber nichts wage ich davon bindend zu behaupten, und alles unterwerfe ich dem Richterspruch unserer heiligen Kirche.
Bester Herr Bischof! Durch Christi Gnade seid Ihr mir zum Ordinarius gegeben. Ihr liebt die Ehrlichen und Unterrichteten - das wird von vielen und allenthalben gerühmt: und noch mehr, Ihr bringt ihnen auch in einzigartiger Freundlichkeit und Demut Verehrung und Achtung entgegen, so weit es Euch Eure priesterliche Würde nur irgend gestattet. Aber meine Schmeichelei soll verstummen, wenn sie auch nicht Euch, sondern die Gaben Gottes in Euch zu erheben trachtete. Jedenfalls ist es in der Ordnung, Euch, dem Aufsicht und Entscheidung über die wissenschaftliche Tätigkeit unserer Stadt zustehen, mein Werk zuerst zu bringen und in Eure Hand die erste Entscheidung zu legen.
Gnädigster Herr Bischof! Nehmt deshalb diesen meinen schwächlichen Versuch gütig auf, und damit alle sehen, wie fern mir dreiste Behauptungen liegen, erlaube ich Euch, ja bitte ich Euch auf den Knieen, verehrungswürdiger Vater, nehmt die Feder und tilgt aus, wovon es Euch nötig scheint, oder werft das Ganze ins Feuer, es soll mir nichts daran gelegen sein. Ich weiß, Christus bedarf meiner nicht und wird ohne mich kundtun, was seiner Kirche dient. Wenn das Werk nicht sein ist, soll es auch nicht mein sein; nichts und niemandes soll es sein, zumal da nach Gregor von Nazianz auch die Äußerung der Wahrheit, vor allem durch den Mund schwerer Sünder, für das Heil der Kirche bedenklich sein kann.
So erkläre ich denn hierdurch zu meiner Sicherheit, daß ich disputieren, nicht normieren wollte. Ja: disputieren und nicht normieren; und disputieren voller Furcht, aber nicht vor den Bullen und Drohungen von Menschen, die selbst ohne Furcht für ihre Hirngespinste Glauben fordern, als wären sie ein Evangelium. Nein, eben ihre Frechheit und ihr Unwissen hat mich gezwungen, meiner Furcht nicht nachzugeben. Wäre jene nicht so gewaltig gewesen, hätte nur mein Engel mich hören sollen. Nur das eine mußte mein Streben sein, niemandem der Anlaß zu Irrglauben zu werden. Den Ruhm soll der haben, des er allein ist, der gepriesen ist in alle Ewigkeit, der uns, lieber Herr Bischof, bewahre und uns regiere lange Zeit und zum Segen. Amen. Ich biete Euch meinen Segenswunsch und bitte Euch noch mehr um den Euren.
In unserem Kloster zu Wittenberg.

Quelle: Buchwald, Reinhard (Herausgeber) - Martin Luther Briefe
1)
Es ist schimpflich, wenn ein Jurist ohne Text spricht.