Ablasshandel

Die Reformation breitete sich in Brandenburg nur langsam aus. Jahrelang noch dominierte hier die Papstkirche. Das zeigt sich auch an dem Punkt, der 1517 zum Auslöser der Reformation geworden war: am Ablass. Luthers Ablasskritik, die in eine Fundamentalkritik an der Papstkirche umgeschlagen war und sich zur Reformation ausgewachsen hatte, hinderte den Brandenburger Bischof Dietrich von Hardenberg nicht, im Herbst 1521 einen Ablass für seinen Dom auszuschreiben. Der Bischof versprach allen Gläubigen, „die der Bauhütte unserer Kirche mit Almosen helfen […] 40 Tage Ablass von den ihnen auferlegten Bußen“.
Das war ein für die Zeit typisches Angebot: Christen begingen Sünden und mussten diese büßen; wer die priesterliche Absolution empfangen hatte, der musste noch den Ernst seiner Busse durch Genugtuungswerke unter Beweis stellen, etwa durch Beten, Fasten oder Almosen (vgl. Matthäus 6,1‒18); nicht selten überstiegen die geforderten Genugtuungsleistungen aber das Leistungsvermögen der Büßer, so dass ihnen nach dem Tod vor dem Eingang in den Himmel ein längerer oder kürzerer Aufenthalt im Fegefeuer drohte. Um den Menschen zu helfen, bot die Kirche den Ablass an. Man stellte sich vor, dass die Kirche über die überschüssigen Verdienste Christi und der Heiligen (den „Kirchenschatz“) verfüge und diese mit den Genugtuungsleistungen der Büßer verrechnen könne. Ablass war also ein Erlass von Genugtuungsleistungen durch die Verrechnung mit dem Kirchenschatz. Einen solchen Erlass gab es in der Regel nicht für alle Genugtuungsleistungen, sondern nur für einen Teil. Der Brandenburger Ablass von 1521 versprach 40 Tage, z.B. 40 Tage weniger Fasten.

U436Ablassurkunde
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12023NV3605KbV3604KbCranachTempelreinigung-berfl-ReichtumAntichristi


Um Ablass zu bekommen, musste man eine Gegenleistung erbringen: beispielsweise eine Geldspende geben, und man musste eine Bedingung erfüllen: die Absolution empfangen haben. Wer im Herbst 1521 den Brandenburger Dom besuchte, dort zur Beichte ging und eine Geldspende für den Dom gab, der durfte sich sicher sein, dass ihm für 40 Tage Genugtuungsleistungen erlassen wurden. Wobei sich die Menschen mittlerweile nicht mehr wirklich sicher waren: Die Kritik am Ablass hatte das Vertrauen in dieses kirchliche Heilsangebot erschüttert, und Luthers reformatorische Botschaft hatte Buße und Heil ganz neu verstehen gelehrt. Das Ablasswesen, das kurz zuvor noch so wichtig gewesen war, verlor dramatisch an Bedeutung. Bischof Dietrich dürfte nur wenige Almosen für seine Bauhütte eingeworben haben.
(Andreas Stegmann)

Beispiele für Ablass:

marienkirche011222 Beginn des Neubaus der Marienkirche für den Papst Honorius III. einen Ablass gewährte. Um für den Bau einen größeren Spielraum zu bekommen, genehmigte Papst Honorius III. einen Ablass über 20 Tage für Wallfahrer, die die Bergkirche an Mariä Geburt (8. September) besuchten und eine Spende für den Kirchenbau machten.

1381 Einen ersten Ablassbrief zugunsten der Kirchengebäude der Katharinenkirche erließ der Bischof Dietrich von der Schulenburg

1440 Marienkirche: anlässlich der Weihe des Kreuzgangs durch Bischof Stephan Bodeker von Brandenburg wurde dem Konvent ein 40tägiger Ablass gewährt.

1524 Wurden die Neustädter bei dem Bischof Dietrich von Hardenberg wegen Zulassung eines lutherischen Prädikanten vorstellig, doch auf ein Gutachten des Kapitels gab der Bischof abschlägigen Bescheid. Immer mehr schmolz die Zahl der auf dem Harlunger Berg Ablass begehrenden Wallfahrer zusammen.

Am Anfang des 16. Jahrhunderts wurden von allen Seiten, vor allem auch von den geistlichen der Katharinenkirche Klage geführt über das Nachlassen der Geldeinnahmen. Es wurden keine Altäre, keine Messen, keine Commenden mehr gestiftet, es wurden keine Ablässe erworben, das Volk drängte sich nicht mehr zu den Wunderstätten, zu den Prozessionen und Heiligenfesten; natürlich , denn wo das Gewissen des Volkes erwacht ist, kann mit Ablass, Seelenmessen und Wallfahrten kein Geschäft mehr gemacht werden.


Cranach Tempelreinigung1521 Wittenberg

Das "Passional Christi und Antichristi" entstand 1521 in Wittenberg. Zu diesem Zeitpunkt nahm die antipäpstliche Polemik in der Reformationsgraphik ihren Anfang.
Lucas Cranach, Philipp Melanchthon und Martin Luther haben in enger Zusammenarbeit ein Werk geschaffen, das den meist leseunkundigen Zeitgenossen reformatorische Positionen mittels des Bildes nahe bringen sollte, heute würde man dies als "Bildpropaganda" bezeichnen. Jede Doppelseite stellt links eine Szene aus dem Leben Jesu Christi dar und rechts gegenüber eine Handlung des Papstes. Er wird nicht als Stellvertreter Christi, sondern als dessen Feind dargestellt, als "Antichrist", der mit Korruption und Sündhaftigkeit behaftet ist. Die einzelnen Holzschnitte greifen dabei auf traditionelle Bildschemata zurück. Sowohl orthodoxe als auch heterodoxe Reformer hatten sich seit Jahrhunderten ähnlicher Gegenüberstellungen bedient, welche aus der Bildsprache des Buchs der Offenbarung schöpfte.
Die aufgeschlagene Seite zeigt links die Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel. Jesus Christus knüpfte aus Stricken eine Peitsche und jagte die Händler mit all ihren Schafen und Ochsen aus dem Tempel. Er schleuderte das Geld der Wechsler auf den Boden und warf ihre Tische um. Den Taubenhändlern befahl er: "Schafft das alles hinaus! Das Haus meines Vaters ist doch keine Markthalle!" Seine Jünger aber mussten an das Wort in der Heiligen Schrift denken: "Der Eifer für deinen Tempel wird mich vernichten!" (Johannes 2, 13-22). Demgegenüber sieht man den Papst, der sich in kostbaren Gewändern als Antichrist in den Tempel setzt und dort gewinnbringende Geldgeschäfte macht (u.a. Verkauf von Ablassbriefen). Man beachte den kleinen Hund im Holzschnitt. Dies ist ein Verweis auf Matthäus 7,6: "Gebt das Heilige, das euch anvertraut ist, nicht den Hunden! Und eure Perlen werft nicht den Schweinen vor!"
Das Werk erlebte zwei deutsche und einen lateinischen Druck ("Antithesis figurata vitae Christi et Antichristi"). Es blieb aktuell und unterscheidet sich damit von anderen Druckwerken des 16. Jahrhunderts.