Junge Gemeinde

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Ein besonderer Dorn im Auge der Partei war die evangelische Jugendarbeit der Jungen Gemeinde, die aufgrund ihrer Verbindungen zur westdeutschen Kirchenjugend der Illegalität und Staatsfeindlichkeit verdächtig wurde. Im Januar 1953 wurde ein ganzer Maßnahmenkatalog gegen die Jugendorganisation und ihre Mitglieder beschlossen, während gleichzeitig die FDJ ihre Arbeit verstärken sollte. Auch gegen soziale und karitative Arbeit richteten sich Eingriffe des Staates; Jugendliche wurden wegen ihres Bekenntnisses der Oberschule verwiesen. Erst nach Eingreifen aus Moskau Anfang Juni 1953 und dem von dort diktierten „Neuen Kurs“ der Regierung wurden alle Maßnahmen zurückgenommen und verurteilte Christen rehabilitiert.

Besonders kritisch wurden alle Veranstaltungen der kirchlichen Jugendarbeit betrachtet, die einen gewissen Öffentlichkeitscharakter hatten. Sehr bald gab es auch Überlegungen von Seiten der FDJ wie gewisse Veranstaltungen zu stören oder zu sprengen seien. Unter das Verbot für die kirchliche Jugendarbeit fielen: Zeltlager, Gemeinschaftswanderungen, Laienspiel, das Tragen von Abzeichen, der Druck der evangelischen und katholischen Jugendzeitschriften („Stafette“ und „Christophorus“). Besonders massiv gedachte man an Schulen und vor allem Oberschulen gegen Glieder der Jungen Gemeinde vorzugehen. Die Laienspielarbeit, die damals in der Jungen Gemeinde eine große Bedeutung hatte, wurde besonders kritisch gesehen. Aus vielen Berichten geht hervor, dass man eine große Breitenwirkung kirchlicher Jugendarbeit befürchtete. Pfarrer Marienfeld wies im November 1952 auf der Kreissynode darauf hin, wer die Junge Gemeinde angreift, der greift die Kirche an. Bezugnehmend auf die verschärfte Erziehung zur materialistischen Weltanschauung in den 50iger Jahren, nach dem Satz „Wer die Jugend hat, der hat die Zukunft“, verwies er auf die zunehmenden Schwierigkeiten für die Jugendarbeit in den Jungen Gemeinden. Unter Berufung auf die 3. Durchführungsverordnung zu dem Gesetz über die Ferienspiele wurden die kirchliche Freizeiten verboten. Als Beispiel benannte er, das Verbot über sämtliche Freizeiten in Mötzow, dem Freizeitheim des Jungmännerwerkes im Juli 1952.
Gefährlich war es auch in den Predigten, das Wort zu sagen, „man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

junge gem bild02Pfarrer Marienfeld von der St. Katharinenkirche
Ereignisse des 17. Juni 1953 an den Brandenburger Schulen

junge gem bild03„Junge Welt“ (Zentralorgan der FDJ 1947 bis 1990 in der DDR) vom 18. April 1953, in ihr wurde die „Junge Gemeinde“ als "Tarnorganisation für Kriegshetze“ bezeichnet.


junge gem bild04 Schmiererei am Jugendheim der evangelischen St.-Katharinen-Gemeinde. Fotograf: A. Saalfeld, (Privatsammlung Werner Kubina)
Die Lage an den Schulen hatte sich durch der Verkündung des „Neuen Kurses“ noch nicht entspannt. Die Fronten zwischen FDJ und christlichen Jugendlichen waren verhärtet. Die öffentliche Kriminalisierung ihres Glaubens hatte bereits einige in den Westen getrieben, andere trauten den Beschlüssen der SED-Regierung nicht und erschienen zunächst nicht zum Unterricht. Auch auf der Seite der FDJ gab es nach wie vor starken Widerstand gegen die Wiederzulassung der jungen Christen. Die FDJ-Sekretäre hatten in der Regel die Rolle des Anklägers übernommen, als die christlichen Schülerinnen und Schüler in öffentlichen Protestveranstaltungen als Staatsfeinde und Terroristen gebrandmarkt worden waren.
Schon bei der Demonstration im Zusammenhang mit der Freilassung von August Taege am 12. Juni, war es zu Prügeleien zwischen „Mitgliedern“ der Jungen Gemeinde und FDJlern gekommen. Als nun am 17. Juni der Aufstand auf der Straße losbrach, kam es auch in den Klassenräumen zu Tumulten, die aber nicht der „Junge Gemeinde“ zur Last gelegt werden können. In der Goethe-Schule waren viele Schüler an der Zerstörung von Propaganda-Losungen beteiligt, während eine Delegation von jungen Christen mit dem Schuldirektor über die zukünftige Gestaltung des Unterrichts diskutieren wollte. Pfarrer Marienfeld war von kirchlicher Seite dabei. Der Direktor brach angesichts der Tumulte den Unterricht ab und wies die Schülerinnen und Schüler an, auf dem schnellsten Wege nach Hause zu gehen. Auch in der Theodor-Neubauer-Schule kam es zur Zerstörung von Propagandamaterial, so rissen die Schüler zum Beispiel die Bilder von Pieck und Stalin von den Wänden. Als die Jugendlichen allerdings auch das im FDJ-Raum lagernde Propagandamaterial zerstören wollten, verweigerte der FDJ-Sekretär Heinz O. ihnen den Zutritt. Gegen ihn wurde keine Gewalt angewandt, so dass der Raum unzerstört blieb.
Im Monatsbericht der SED über die politische Lage wurde festgestellt, dass die „Junge Gemeinde“ ein Organ des amerikanischen Imperialismus wäre, bewiesen durch die Tatsache, dass in dem Haus der „Jungen Gemeinde“ in Brandenburg auf dem Katharinenkirchplatz eine Filmapparat mit Kriegsfilmen sowie Hetzschriften und Bücher, die die übelste antisowjetische Hetze enthielten, vorgefunden wurden.

junge gem bild05Demonstration am 17. Juni 1953 vor der SED- Kreisleitung, Foto: Friedrich-Karl Grasow (Stadtarchiv Brandenburg an der Havel)

Werner Kubina – Mitglied der Jungen Gemeinde - zu den Ereignissen am 17. Juni 1953:
Da war Brandenburg wieder ein Mittelpunkt dieses Aufstandes. Die Stahlwerker streikten, das Traktorenwerk streikte, die Bauarbeiter streikten. Und in der Steinstraße befanden sich das Kreisgericht und das FDJ-Jugendclubhaus. Und dort wurde Pfarrer Marienfeld aktiv. Der hatte da eine führende Rolle gespielt. Und am Abend brach ja der Aufstand, der sogenannte Aufstand. Und Pfarrer Marienfeld war nicht mehr da. Pfarrer Marienfeld ist abgehauen, wie man damals sagte. Von einer Inhaftierung wusste man nichts. Später erfuhren wir, dass er sich in der Katharinenkirche versteckt hielt. Er musste also in den Untergrund gehen. Er war ja Pfarrer der Katharinenkirche und hat da etliche Wochen in der Kirche gelebt. Und die Situation war denn so, dass dem ein Ende gesetzt werden musste. Und dann ist denn jemand nach Berlin gefahren, zu dem damaligen Präses Scharf, und der ist persönlich mit seinem Auto gekommen und hat den Pfarrer Marienfeld illegal über die Glienicker Brücke geholt. Und danach erfuhren wir dann, wo er gewesen ist. Und sie haben vorher abgemacht, wenn sie angehalten werden, wird er aufs Gas treten und durchfahren.

Mit der allgemeinen politischen Verfolgung ging auch ein Kampf der SED gegen die Kirchen einher. Der evangelischen Kirche, die im Rahmen der EKD noch bis 1969 gesamtdeutsch organisiert war, gehörten im ”Kernland der Reformation” noch etwa 80 Prozent der Bevölkerung an. Die SED verkündete das baldige Absterben der Kirche, die ein Überbleibsel der alten Ausbeuterordnung sei. Allein im Frühjahr 1953 ließ die SED durch das MfS etwa 50 Geistliche, Diakone und Laienhelfer verhaften. Im ganzen Land gab es Aktionen gegen die „Jungen Gemeinden”, die zu staatsfeindlichen Organisationen erklärt wurden. Die Abhaltung des Religionsunterrichtes an den Schulen wurde stark eingeschränkt. 1954 gab es den ersten Höhepunkt einer atheistischen Propagandawelle der SED. Im selben Jahr wurde die Jugendweihe wieder eingeführt. Vergeblich hatte die SED versucht, die evangelischen theologischen Fakultäten aus den Universitäten zu vertreiben (katholische Theologen wurden nur im Philosophisch-Theologischen Seminar in Erfurt, einer kirchlichen Einrichtung, ausgebildet). Hier hatte sich der CDU-Vorsitzende für ein Verbleiben der Fakultäten eingesetzt.

Hatte Christlichkeit früher noch zur bürgerlichen Konvention gehört, konnte sie jetzt existenziell einschneidende Konsequenzen haben. Denn blieb das Bekenntnis zur Weltanschauung der Arbeiterklasse aus – z. B. durch Nichtteilnahme am Ritual der Jugendweihe, dem agitatorischen Gegenstück zur Konfirmation bzw. Firmung – schränkte das die Entwicklungschancen innerhalb der Gesellschaft erheblich ein.
Die Jugendweihe entwickelte sich in ihrer Etablierungsphase 1954 bis 1959 zu einer Art Ersatzkonfirmation. Die Kirchenleitungen lehnten die Jugendweihe kategorisch als glaubensfeindlich ab. Für die evangelische Kirchenleitung waren Glaube und Jugendweihe unvereinbar. Daher schloss sie eine Konfirmation für Jugendliche mit Jugendweihe zunächst aus.
Mit zunehmender Sorge betrachtete die evangelische Amtskirche seit 1952 das staatliche Vorgehen gegen die Junge Gemeinde. Nach der Unterdrückungswelle im Frühjahr 1953 wandte sich Bischof Dibelius an die evangelischen Gemeinden der DDR. In seinem Brief zog der EKD-Vorsitzende indirekt eine Parallele zum Kirchenkampf während der NS-Zeit und verurteilte die staatliche Willkür.

Aus dem offenen Brief von Bischof Dibelius an die Glieder der Jungen Gemeinde und deren Eltern im Gebiet der DDR, vom 18.April 1953:
Den Eltern aber sage ich dies: Ich weiß, wie schwer es ist, mit ansehen zu müssen, dass unsere Kinder um des Glaubens willen angefeindet werden und wie natürlich der Wunsch ist, vor neuen Anfechtungen zu bewahren. Ich habe das alles während des vorigen Kirchenkampfes bei meinen eigenen Kindern miterlebt. Aber vergesst nicht, dass Eure Kinder in ihrem späteren Leben nichts anderes so viel Vertrauen einbringen wird, wie das, dass sie in ihrer Jugend treu zu ihrer Kirche gestanden haben. Vergesst vor allem nicht, dass ein freies Gewissen besser ist, als ein glatter Lebensweg.

Im Bericht der SED Bezirksleitung Potsdam an das ZK der SED über die Tätigkeit der Kirche und der Jungen Gemeinde ging es um die Auswertung der Osterpredigten 1953 hieß es: Pfarrer Marienfeld, Kreisjugendpfarrer Brandenburg, sagte in seiner Predigt „Die Kirche wurde schon oft angegriffen und geschlagen. Aber sie würde nicht wiederschlagen, weil sie es nicht will. Die jungen Menschen sollen ihr Kreuz getragen denn Jesus hätte auch das Kreuz getragen.“ Marienfeld verlas dann das Protestschreiben der Brandenburger Pfarrer, in dem zum Ausdruck kam, dass 73 Brüder und Schwestern der „Jungen Gemeinde“ von den Schulen ausgewiesen wurden. Diesen jungen Menschen wäre schweres angetan worden, doch sie sollen nicht verzagen, der Glaube und die Liebe zur Kirche und zu Gott sollen sie aufrecht halten. In den Schlussgebeten wurde besonders für die „Junge Gemeinde“ gebetet und aufgerufen, standhaft zu sein, wenn auch die Zeit schwer ist.