Jubelfest

Die Prediger aller evangelischen Gemeinden Brandenburgs wandten sich am 21.Oktober 1917 an die Gemeinden, um auf extra für dieses Fest gedruckte Kirchenlieder hinzuweisen.

Jubelfest der evangelischen Kirchen

Die christlich-evangelischen hochverdienten Männer nähern sich jetzt den in denkwürdigen Tagen, welche sie an die im 16. Jh. bewirkte, segensreiche Stiftung ihrer Kirche erinnern, die ihnen den großen heldenmütigen, der der christlichen Wahrheit und Freiheit von ganzem Herzen huldigen Mann, Doctor Martin Luther und andere, um ihren Glauben, um ihre Denk- und Gewissensfreiheit, ebenfalls hochverdienten Männer in ihr dankbares Andenken zurückrufen, und deren Gedächtnisfeier sie zum innigsten Dank gegen den moralischen Weltregierer, von dem überall, auch in dem Reiche der Wahrheit und Tugend, alles Gute herkommt und befördert wird, erwecken, ein ernstliches Bestreben, als Kinder des Lichts (als evangelische Christen), zu wandeln, in ihnen anregen, und sie kräftigen und ermutigen soll, für heilige Sache der Religion alles zu tun, alles zu wagen, alles zu leiden, alles zu dulden, Gott mehr zu gehorchen als dem Menschen, und in einem rühmlichen Eifer für Wahrheit und Recht auszuharren bis ans Ende, wodurch allein die Krone des ewigen Lebens errungen werden kann.

Der 31.Oktober und der 1. November sind die denkwürdigen und feierlichen Tage, an denen wir uns in unsern Heiligtümern der großen Segnungen dieser, durch Luther und seine frommen Gehülfen bewirkten, Kirchenverbesserung dankbar freuen, und uns zugleich einmüthig, und unter den feierlichen Gelübden, ermuntern werden, uns dieser himmlischen Güter durch ein wahres und tätiges Christentum lebenslang würdig zu machen.
Brandenburg, dem 21. Okt. 1917
Die sämtlichen Prediger vorgedachter evangelischen Gemeinden

Quelle: Domstiftsarchiv Brb. Bestand: Pfarrarchiv Brandenburg St. K.
Einhundertjähriges Jubiläum der Befreiungskriege und Reformationsjubiläum 1917

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Brandenburger Anzeiger, 31.10.1917
„Es ist nun einmal nicht nur ein beliebiges Fürstenhaus schlechthin, das die Führung des neuen deutschen Reiches übernommen und inne hat, sondern es ist ein evangelischer Kaiser und es ist evangelischer Geist, der da an der Spitze von Deutschlands Gang durch die fernere Weltgeschichte marschiert. Ehe Bismarck und das Kaisertum schmiedeten, hat Martin Luther uns dies geschenkt, daß es als ein „evangelisches“ einzig in Europa, einzig in der Welt da leben darf.
Und in anderer Hinsicht gehört heute Martin Luther dem ganzen deutschen Volke ohne Einschränkung und Ausnahme. Wer selbst zu kämpfen hat auf Tod und Leben, der dann, wenn er sich aufrichten und stark machen soll und will, Anerkennung und Kraft nur finden bei solchen, die vor ihm in gleicher Lage gewesen und vor ihm gekämpft haben ebenfalls auf Tod und Leben. Deutschland hat heute so gut wie die ganze Welt gegen sich. Nun denn, so halte es sich an seinen Martin Luther. Er, er ganz gewiß und von seiner Seit bestreitbar- hat gewußt und erfahren, was es heißt, eine ganze Welt wider zu haben.

Brandenburger Anzeiger, 1.November 1917
Die Steinbecksche Singakademie unter dem Musikdirektor Dr. Wiegand
Die Jubelfeier der Reformation hat unserer Stadt eine musikalische Aufführung von Albert Beders Reformationskantate durch die Singakademie gebracht.
Ferner ist für die evangelische Kantate auf bachischen Grunde dies kennzeichnend, daß ihr Rückgrat und ihren Halt der Choral bildet. Auch in diesem Stünde erlebten wir unzweifelhaft einen Kantatenabend: Die beiden Lutherlieder „Aus tiefer Not“ und „Ein feste Burg“ sind die Richtpunkte für den Aufbau der Reformationskantate. Wie wunderbar und gewaltig beide Kirchenlieder verarbeitet sind davon wird alsbald zu sprechen sein .Fast einstündig ist die Aufführung von Beders Komposition, während man kaum bachische Kantaten nennen kann.
Mit einer gewaltigen siebenstimmigen Bearbeitung des Chorals „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ hebt das Werk an. Das ist nicht der Klagelaut einer Seele, etwa des Mönches Martinus in der Klosterzelle; das ist der Angstruf einer ganzen in Licht- und Trostlosigkeit versunkenen Welt, ein Angstruf, wie er nicht erschütternder die hoffnungslose Zerrüttung des Zeitalters zeichnen kann, aus dem dann der deutsche Reformator hervorgehen sollte. …
Der Schlusschor weist dann in das ewige Leben hin, „Himmel und Erde werden vergehen, aber das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit!“.