Kirche und Nationalsozialismus

Von der antichristlichen Weltanschauung bis zum Pogrom

Der Anspruch des NS-Regimes, alle Bereiche des öffentlichen wie des privaten Lebens mit nationalsozialistischer Ideologie zu durchdringen, erstreckte sich auch auf das Religiöse. Die beiden großen christlichen Kirchen sahen sich ab Frühjahr 1933 daher in Auseinandersetzungen mit dem NS-Regime verstrickt und dem Versuch der Gleichschaltung ausgesetzt.

Adolf Hitler war sich jedoch durchaus bewusst, dass die Etablierung des NS-Regimes nicht gegen massiven Widerstand der Kirchen zu erreichen war - gehörten 1933 doch immerhin 62,7 Prozent der Deutschen der protestantischen und 32,5 Prozent der katholischen Kirche an. Für die Stadt Brandenburg bedeutete dies 61.000 evangelische Einwohner, 3.500 Katholiken und 310 Juden. Die antichristliche Weltanschauung des Nationalsozialismus und taktische Züge bestimmten daher eine widersprüchliche und uneinheitliche NS-Kirchenpolitik in den ersten Jahren. Langfristiges Ziel blieb die Eindämmung des gesellschaftlichen Einflusses der Kirchen.

Tafel V Bild2Ein gemeinsamer Kirchgang leitete die am 2. April 1933 erstmalig nach Machtergreifung der Nationalsozialisten tagende neu gewählte Stadtverordnetenversammlung ein. Im Kirchenschiff der St. Katharinenkirche saßen die zahlreichen Abordnungen der SA, SS, des Stahlhelms und der Polizeischule. Die Mitglieder des Magistrats und die Ehrengäste nahmen im Magistratsgestühl Platz. Unter Führung von Pfarrer Wiesner kamen zum Schluss die nationalsozialistischen Stadtverordneten und die der Bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft in geschlossenem Zuge in die Kirche. Mit Anklängen an den Marsch zum heiligen Eral aus Richard Wagners „Persifal“ leitet die Orgel die kirchliche Feier weihevoll ein.Im November 1933 feierte das evangelische Deutschland den 450. Geburtstag von Martin Luther. In weiten Teilen des Reiches gelang es ein letztes Mal, die Zusammengehörigkeit von Kirche, Staat und NSDAP öffentlich zu inszenieren, dennoch scheiterte die große Idee, den 10. November zu einem grandiosen protestantischen Nationalfeiertag zu machen.
Bereits am 5. September hatte die Altpreußische Union den für Beamte geltenden „Arierparagraphen" auch für protestantische Geistliche eingeführt. Die Deutschen Christen forderten nun seine Einführung in der gesamten Reichskirche und verwarfen gleichzeitig das Alte Testament als "jüdisch". Gegen diese Anschauungen richtete sich der Protest vieler Kirchenmitglieder. Im September 1933 rief deshalb der Pfarrer Martin Niemöller den gegen die Deutschen Christen gerichteten Pfarrernotbund ins Leben. Das Programm der Deutschen Christen und die Befürwortung des "Arierparagraphen" sah er als Verfälschung der christlichen Lehre an. Der Pfarrernotbund wurde zu einer der wichtigsten Wurzeln der Bekennenden Kirche, die sich ab 1934 formierte. Die Bekennende Kirche verstand sich als "rechtmäßige evangelische Kirche" in Deutschland und berief sich auf ein "kirchliches Notrecht". Mit ihrer offenen Gehorsamsaufkündigung gegenüber Reichsbischof Müller scheiterte der Versuch der Nationalsozialisten, die Reichskirche gleichzuschalten. Als politischen Widerstand begriff die Bekennende Kirche ihre Tätigkeit zunächst aber nicht. Der Versuch der Selbstbehauptung und die Artikulation abweichender Meinungen reichte jedoch aus, um vom NS-Regime als staatsfeindlich klassifiziert zu werden. Die Verfolgung der Bekennenden Kirche nahm zu, als im August 1936 eine Denkschrift an Hitler öffentlich wurde, in der sie die Existenz von Konzentrationslagern (KZ) angeprangerte und die "nationalsozialistische Weltanschauung" verwarf. Die Stadt Brandenburg spielte eine wichtige Rolle im Kirchenkampf. Sie wurde Hochburg der Bekennenden Kirche genannt. Die starke Haltung Bruno Tecklenburgs („Löwe aus Brandenburg“ hat viel dazu beigetragen.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 strebte das NS-Regime einen "Burgfrieden" mit den Kirchen an. Die Verfolgung von Geistlichen nahm daher ab. Allerdings wurden sowohl die kirchliche Publizistik als auch die Militärseelsorge in erheblichem Maße behindert. Mit Kriegsbeginn begann im Deutschen Reich auch der Mord an unheilbar Kranken und Behinderten. Die "Euthanasie"-Aktionen waren Gegenstand kirchlichen Protestes. Nach Predigten des Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen im Sommer 1941 nahmen Proteste in der Bevölkerung derart zu, dass die Mordaktionen offiziell gestoppt, heimlich jedoch weitergeführt wurden. Richter Lothar Kreyssig (1898–1986), war der einzige einfache Richter der sich gegen die Euthanasiemorde wandte. Zur Verfolgung der Juden schwiegen die Kirchen hingegen zu lange. Weder zum Boykott gegen jüdische Geschäfte im April 1933, zu den Nürnberger Gesetzen von 1935, noch zum Pogrom vom 9. November 1938 äußerten die Amtskirchen sich öffentlich. Auch nach Beginn der Deportationen deutscher Juden in die Vernichtungslager im Oktober 1941 kam es zu keinem ähnlichen Protest wie gegen die "Euthanasie".