Beginn der Reformation

Kampf dem Ablasshandel

Wohl in keiner anderen Stadt der Mark, abgesehen von Havelberg und Fürstenwalde, hat die Reformation ähnliche Umwälzungen hervorgerufen wie in Brandenburg.

johannis kleinHier waren die Einwirkungen besonders stark wegen der reichen Entwicklung des klösterlichen Lebens. Wo gab es so viele Abarten mönchischer Kongregationen wie hier? Wo neben drei Klöstern noch Bischof und Domkapitel waren.
Am Anfang des 16. Jahrhunderts wurden von allen Seiten, vor allem auch von den geistlichen der Katharinenkirche Klage geführt über das Nachlassen der Geldeinnahmen. Es wurden keine Altäre, keine Messen, keine Commenden mehr gestiftet, es wurden keine Ablässe erworben, das Volk drängte sich nicht mehr zu den Wunderstätten, zu den Prozessionen und Heiligenfesten; natürlich , denn wo das Gewissen des Volkes erwacht ist, kann mit Ablass, Seelenmessen und Wallfahrten kein Geschäft mehr gemacht werden.

Heffter beschrieb in seinem Werk einige der Gründe:
„Die verrottete Kirche hatte keinen Halt mehr in den Herzen des Volkes und deshalb konnte sie auch durch landesherrlichen Druck nicht mehr in ihrem Bestand erhalten werden. … Priestertum und Volk waren sich fremd geworden, durch die Schuld des Priestertums. … Zu einer Zeit, wo das Land noch so arm und spärlich bewohnt war, mußte es 3 Bischöfe, mehr als 90 Domherren, mehr als 2000 Mönche und Nonnen, mehr als 3000 Pfarrer, Altaristen, Vikare und Commendisten erhalten… Wie viel kräftige, dem Land so notwendige Menschen entzog der wohlversorgte geistliche Stand den bürgerlichen Ständen.“
In den Städten Brandenburg und dem Dom war die Reformation kein alles umstürzender Moment, sondern eine allmähliche, längerfristige Entwicklung von konfessionellen Formierungsprozessen. Ein Gesamtbild kann nur entstehen, wenn die „Reformation vor Ort“ in den einzelnen Kirchengemeinden, den angeschlossenen Klöstern und die jeweils dort handelnden Personen und Institutionen betrachtet werden.

Reformation Martin Luther hat seine Absicht, gegen den Ablasshandel Stellung zu nehmen, 1517 ganz offiziell seinen Vorgesetzten, dem Bischof der Diözese Brandenburg, zu der Wittenberg gehörte, mitgeteilt. Die ablehnende Haltung des Brandenburger Bischofs Hieronymus Schultz wurde selbstverständlich auch von seinem – Domstift in Brandenburg geteilt, aus dessen Reihen 1518 die Gegenthesen Tetzels von dem Domherrn Konrad Wimpina in seiner Eigenschaft als Rektor der Universität Frankfurt (Oder) verfasst wurden. Noch 1521 ließ der Brandenburger Bischof inzwischen Dietrich v. Hardenberg, ganz in Tetzels Manier durch einen Ablass Mittel für seinen Kirchenbau einwerben. In der- Alt- Neustadt Brandenburg wachte das Domkapitel, das über die dortigen Pfarren das Patronatsrecht besaß u. sie mit seinen – Domherren besetzte, darüber, dass alles beim Alten blieb, sodass der Versuch der Neustadt, 1524 einen Prediger anzustellen, von Bischof und Domstift verboten wurde mit dem Hinweis auf die Gefahr der Vermischung des Evangeliums mit der Lehre Luthers. Das im selben Jahr eigens für die Neustadt Brandenburg erfolgte Verbot der Schriften Luthers, seiner Bibelübersetzung und seiner Gesänge verbesserte indes nicht die sich im Rückgang des Gottesdienstbesuchs u. v. a. der kirchlichen Einnahmen zeigende Krisensituation der Kirche, sodass Bischof und Domstift letztlich durch ökonomischen Druck zu Zugeständnissen bereit waren. Als in der Neustadt die Einkünfte für Pfarrer und Kapläne nicht mehr ausreichten, gestattete der Bischof 1528, dass in der – Katharinenkirche die Messe in deutscher Sprache gelesen werden durfte. Maßgebliche Persönlichkeit war der Neustädter Pfarrer Thomas Baytz (1528-1541), der einen weitgehend bruchlosen Übergang zum lutherischen Gottesdienst ermöglichte, in dem er sich der evangelischen Bewegung jeweils so weit zu öffnete en, wie es entsprechend der kirchenpolitischen Haltung des Kurfürsten möglich war. Im Gegenzug gewährte der Rat der Neustadt für Pfarrer und Kapläne die nötigen Zulagen. Auch der entscheidende Schritt, die Einführung des evangelischen Gottesdienstes und des Abendmahls in beiderlei Gestalt, gelang durch materielle Zugeständnisse im Jahr 1536, dieses Mal gegenüber Kurfürst Joachim II., dem die silbernen Reliquiare der Katharinenkirche für die Ausstattung seines in jenem Jahr vergrößerten Berliner Domstifts überlassen wurden. Nach einem solchen in der Neustadt errungenen Erfolg war es dann 1538 auch der Altstadt möglich, einen evangelischen Prediger zu berufen. Nachdem der Kurfürst 1539 offiziell das evangelische Abendmahl für das ganze Land freigegeben hatte, erwarben die Alt- und Neustadt Brandenburg 1541 das Patronatsrecht vom Domstift, sodass nun auch die Pfarrstelle der – Gotthardtkirche mit einem evangelischen Pfarrer (Johann Seyfried) besetzt werden konnte.

Während die Reformation in den beiden Städten also „von unten“ („ab imo“, wie Luther sagte) erfolgt war, wurde sie für das Domstift „von oben“ eingeführt. Initiativen im Domstift „von unten“ die von den Vikaren des Domstifts, welche den Predigerdienst versahen, ausgegangen waren und in einem Fall auch aus den eigenen Reihen gekommen waren (Werner v. Stechow, der deshalb seine Pfründe verlor und außer Landes gehen musste), sind vom Domkapitel unterdrückt worden. Dieses weigerte sich bis zuletzt, die landesherrliche Kirchenordnung von 1540, die sogar von seinem Bischof Matthias von Jagow (als einzigem der drei märkischen Bischöfen) bestätigt worden war, im Dom einzuführen, u. hat seinen Widerstand erst aufgegeben, als ihm 1544 die Sperrung der Einkünfte angedroht wurde. Aus einer der den Predigerdienst versehenden Vikarstellen ist dann die evangelische Pfarrstelle am – Dom hervorgegangen, während das Domstift als evangelische Stift fortbestand und den mittelalterlichen Chorgottesdienst noch bis zum Beginn des 19. Jahrhundert von Vikaren im Dom halten ließ. Seinen Fortbestand teilte das Domstift mit dem Domstift Havelberg und einigen in adligen Fräuleinstifte umgewandelten Zisterziensernonnenklöstern, die wie das Domstift Brandenburg z. Z. der Reformation fast nur noch Versorgungseinrichtungen für Adel und Landesherren waren, welche die Stiftstellen besetzten und aus diesem Grund an ihren Erhalt interessiert waren. Alle anderen Klöster und Stifte der Mark sind dagegen durch die Reformation aufgelöst worden, so auch die in den beiden Städten Brandenburg: in der Neustadt das Dominikanerkloster St. Pauli, das 1560 nach dem Tod des letzten Mönchs in den Besitz der Neustadt überging., in der Altstadt das Franziskanerkloster St. Johannis, das 1562 aufgehoben wurde, dessen Mönche aber noch bis 1570 um ihre Existenz kämpften. In beiden Klöstern wurden die Kirchen zu evangelischen Gotteshäusern und die Klausuren zu – Hospitälern für Arme und Kranke umgewandelt.
Das Prämonstratenserstift auf dem – Marienberg benutzte der Kurfürst nach der Reformation zur Abtragung seiner Schulden und verpfändete es. Nach der Auslösung dieses Pfandes erhielt das Domstift 1551 die verwahrloste – Marienkirche mit ihren Stiftsgebäuden und einen Teil der Einkünfte.

Die bevorzugte Stellung der Doppelstadt Brandenburg blieb formal weiter bestehen, ja sie wurde sogar ausdrücklich bekräftigt. Gleichwohl handelte es sich um eine Scheinblüte. Bezeichnend ist die Tatsache, dass der Ehrentitel „Chur- und Hauptstadt“ umso mehr beschworen wurde, je stärker die tatsächliche Bedeutung zurückging. Längst war die Führungsrolle unter den märkischen Städten an Berlin als Residenz sowie Frankfurt an der Oder als Universitäts- und Messestadt übergegangen. Nach dem Tode von Matthias von Jagow 1544 besetzten kurfürstliche Leute das Domstift. Es wurde in eine bis heute bestehende evangelische Einrichtung umgewandelt, verlor seine kirchlichen Funktionen der Verwaltung und Mitregierung der Diözese. Brandenburg hörte damit auf, ein kirchliches Zentrum zu sein.
Dagegen erhielt der Brandenburger Schöppenstuhl im Hinblick auf die angestrebte rechtliche Vereinheitlichung der Mark eine Aufwertung als zentraler Landesoberhof. Das vereinte Schöppenkollegium der Alten und der Neuen Stadt Brandenburg bildete den sogenannten Oberhof und damit die letzte Instanz für alle Rechtsstreitigkeiten der märkischen Städte. Auch hier spielten Brandenburger Persönlichkeiten eine wichtige Rolle (z. B. Benedikt Carpzow).

Bauten der Renaissance
Neu gebaut wurde in der Zeit der Reformation, der Zeit der „Renaissance“, nur sehr wenig. An erster Stelle sind hier der Quergiebel und der ältere Turm des Neustädtischen Rathauses (Mitte des 16. Jahrhunderts) zu nennen. In der Neustadt hebt Otto Tschirch folgende Bauten hervor: „Am Eingang der Steinstraße grüßte das (…) Storbecksche Haus mit dem kurfürstlichen Wappen über der Eingangspforte, das neuerdings allgemein das Kurfürstenhaus genannt wird (…). In der Steinstraße und in der Nähe des Rathauses waren damals noch andere stattliche Giebelhäuser wohlhabender Bürger zu erblicken, wie das Carpzowsche an der Ecke der Stein- und Brüderstraße und das Abtshaus in der St- Annenstraße. Am Katharinenkirchhof aber war zur Eröffnung der neustädtischen Lateinschule ein prächtiger Bau mit schmucken Renaissancegiebeln errichtet worden (…).“ In der Altstadt sind das „Quitzowhaus“, Schusterstraße 6 (2. Hälfte des 16. Jahrhunderts), das „Syndikatshaus“, Altstädtischer Markt 8 (16. Jahrhundert), und das älteste Schulhaus Brandenburgs, Gotthardtkirchplatz 5 (urkundlich 1552 erwähnt, 1910 verkürzt), zu erwähnen .

Auch dem Schulwesen (Melanchthon) galten Bemühungen des Rates, in der Neustadt war es die Neustädtische Lateinschule und die Altstadt ließ sich den ehemaligen Bischofshof zum Ausbau für Schulzwecke schenken. An beiden Einrichtungen wirkten bedeutende Persönlichkeiten (z. B. Zacharias Garcaeus). Auch vermehrtes Interesse an der eigenen Geschichte ist in dieser Zeit zu merken, siehe die Person Simon Roter, Rektor, Stadtschreiber und Bürgermeister in der Altstadt.
Georg Sabinus, eigentlich Georg Schuler, Sohn des Bürgermeisters der Altstadt Brandenburg, war ein erfolgreicher Dichter und Diplomat dieser Zeit. Als Professor der Poesie und Beredsamkeit war er Gründungsrektor der Albertus-Universität Königsberg.

In der Reformationsausstellung befindet sich ein dringend renovierungsbedürftiges Exponat: Der Schmerzensmann